Urlaub und Verfall – Die akutelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
Urlaub und Verfall – Die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dies ist der Grundsatz, wie er in § 1 des Bundesurlaubsgesetzes niedergelegt ist.
Im optimalen Fall verbraucht der Arbeitnehmer seinen gesamten Jahresurlaub in dem Jahr, in welchem er ihn auch erworben hat. Es kommt jedoch vor, dass der Arbeitnehmer seinen gesamten Jahresurlaub nicht (vollständig) nehmen konnte. Möglicherweise war dies aus betriebsbedingten Gründen infolge eines erhöhten Arbeitsanfalls nicht möglich. Auch könnte der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit daran gehindert worden sein, seinen Urlaub zu nehmen, sodass zum Anfang eines neuen Jahres noch Resturlaubsansprüche aus dem alten Jahr und gegebenenfalls auch aus den Jahren zuvor bestehen.
Ein Dauerbrenner der arbeitsrechtlichen Beratung ist hierbei, was mit den Resturlaubsansprüchen geschieht und wann diese erlöschen.
Es ist kompliziert, wie zwei jüngere Urteile des Bundesarbeitsgerichts zeigen.
Im ersten Fall (Urteil v. 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20) ging es um eine Steuerfachangestellte die im Jahr 2018 Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Jahresurlaub aus den Jahren 2013 bis 2017 geltend machte. Der Arbeitgeber berief sich hierbei auf die Verjährung dieser Ansprüche. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass im vorliegenden Fall keine Verjährung eingetreten ist. Nach Auffassung des Gerichts beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin auf den ausstehenden Urlaub sowie auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen hat und die Arbeitnehmerin den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Im zu entscheidenden Fall fehlte es gerade an einem solchen Hinweis durch den Arbeitgeber, womit die Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen hatte und damit auch keine Verjährung eintreten konnte.
Der zweite Fall (Urteil v. 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19) handelte von einem Arbeitnehmer der im Zeitraum von Dezember 2014 bis mindestens August 2019 aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen und infolgedessen auch nicht seinen gesetzlichen Urlaub nehmen konnte. Der Arbeitnehmer verfolgt mit seiner Klage unter anderem das Ziel, dass ihm noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zustehe. Zunächst hat das Gericht festgestellt, dass grundsätzlich der gesetzliche Urlaubsanspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahr („15-Monatsfrist“) verfällt. Im vorliegenden Fall weicht das Gericht von diesem Grundsatz für den noch nicht erfüllten Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2014 ab. So liegt die Besonderheit des Falls darin, dass der Arbeitnehmer im Jahr 2014 tatsächlich gearbeitet hat, bevor er arbeitsunfähig geworden ist. Auch in dieser Fallkonstellation ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Nach Auffassung des Gerichts, ist der Arbeitgeber dem nicht nachgekommen, weswegen der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2014 nicht verfallen ist.
Der Teufel steckt in solchen Konstellationen oftmals im Detail. So unterliegt die Rechtsprechung, sei es durch den europäischen Gerichtshof oder des Bundesarbeitsgerichts, einem ständigen Wandel. Eine Beratung durch einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt ist deshalb regelmäßig anzuraten.