Abkehr vom Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten
Abkehr vom Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten
Der für das zivile Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat nach der Pensionierung seines langjährigen Vorsitzenden Prof. Dr. Kniffka seine Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Baumängeln weitreichend geändert.
Im Urteil vom 22.02.2018 und 2 weiteren Entscheidungen hat er jetzt seine Rechtsprechung für Bauverträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden, dahingehend geändert, dass bei einem Baumangel der Besteller nicht, wie seither, wenn er den Mangel nicht beseitigen lässt, Schadensersatz auf Basis eines Kostenanschlages oder eines Gutachtens nach den fiktiven Mangelbeseitigungskosten geltend machen kann.
Die seitherige jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor dem 22.02.2018 war die, dass der Besteller nach Abnahme des Werkes gem. § 640 BGB nach Inverzugsetzung des Unternehmers gem. § 634 Nr. 4, 280, 281 BGB die mangelhafte Leistung behalten konnte und gleichwohl dafür Schadensersatz in Höhe der fiktiven Kosten der Mangelbeseitigung erhielt.
Ein Beispiel dazu:
Die Fenster eines Hochhauses haben einen Konstruktionsfehler, der nur durch vollständigen Austausch der Fenster behoben werden kann.
Die Kosten für diesen Austausch belaufen sich auf ca. € 150.000,00 netto.
Nach der bisherigen Rechtsprechung konnte der Auftraggeber die mangelhaften Fenster behalten und erhielt dafür € 150.000,00.
Dies ist jetzt nicht mehr möglich, wobei die Auswirkungen der neuen Rechtsprechung auf die Schadensberechnung die ist, dass der Auftraggeber seinen Schaden dadurch berechnet, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt.
So einfach, wie seither die Schadensberechnung war, so kompliziert ist es nun, die zutreffende Vermögensbilanz zu ermitteln.
Als Beispiel eignet sich dazu der Fall, dass der Handwerker Fenster einbaut, welche den baurechtlichen Sicherheitsbestimmungen nicht entsprechen, diese baurechtlichen Bestimmungen aber dadurch eingehalten werden, dass man z.B. für € 150,00 ein neues Geländer zum Schutz gegen Absturz anbringt.
Zunächst liegt sicher ein erheblicher Mangel vor, jedoch kommt es für den Schadensersatzanspruch darauf an, was objektiv der Nachteil für den Bauherren ist.
Die Fenster erfüllen ihre volle Funktion. Sie sind auch stabil, jedoch nicht ganz absturzsicher, wobei dieser Mangel durch das relativ günstige Geländer behoben werden kann.
Bei einer Neulieferung von Fenstern wären Kosten von über € 20.000,00 entstanden, die jetzt nicht mehr als Schadensersatz geltend gemacht werden können, weshalb es im Ergebnis wohl darauf hinaus läuft, dass der Bauherr anstatt früher ca. € 20.000,00 jetzt wohl € 150,00 für das Geländer erhält.
Die praktische Auswirkung für die Praxis sind die, dass neben den massiven Problemen der Schadensberechnung auch die Variante, den Schaden nicht zu beseitigen und Schadensersatz zu verlangen, in der Praxis deutlich an Bedeutung verliert.
Der Bundesgerichtshof hat dazu ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bauherr in diesem Fall weiterhin die Möglichkeit hat, gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB den Mangel selbst zu beseitigen und zuvor dafür gem. § 637 Abs. 3 BGB einen Vorschuss zu verlangen.
Im Ergebnis zeigt auch die neue Rechtsprechung, dass das Baurecht immer komplizierter und damit schwieriger wird und der Bauherr deshalb, um seine Rechte zu wahren, entsprechende fachkundige Unterstützung benötigt.
Dabei stehen wir Ihnen als im Baurecht erfahrene Rechtsanwälte gerne unterstützend zur Seite.